"Die Schweiz spricht"

Hier sind ab 4.8.2022 nur eigene Texte und Bilder (oder korrekt verlinkte und mit Urheberrechtsangaben versehene Bilder) erlaubt. Keine Verlinkungen zu anderen Medien, keine Copy&Paste-Beiträge
Benutzeravatar

Themen Starter
thedi
Beiträge: 4978
Registriert: Do 3. Okt 2013, 09:55
Wohnort: Bankok, Manchakiri bei Khon Kaen

"Die Schweiz spricht"

#1

Beitrag von thedi »

https://www.tagesanzeiger.ch/forum/mach ... y/18635783
Wann haben Sie das letzte Mal mit jemandem gesprochen, der politisch ganz anders denkt als Sie?
Mit dieser Aktion versuchen ein paar Schweizer Medien Menschen, die nah beieinander wohnen, aber ganz verschieden denken, zu einem Gespräch unter vier Augen zusammen zu bringen. Ziel wäre es gegenseitiges Verständnis zu fördern.

Ich hätte mich gerne daran beteiligt, aber man muss dazu in der Schweiz sein.

So eine Aktion kann nur mit persönlichen Gesprächen unter vier Augen funktionieren. Schon ab drei Personen könnte man nicht mehr voll auf sein Gegenüber eingehen um zu versuchen seine Sicht zu verstehen. Es darf dabei nicht darum gehen den anderen von mir und meiner Sichtweise zu überzeugen, sondern ihn und seine Sichtweise zu verstehen. Das geht nur mit einem persönlichen Treffen.

Dass Kommunikation via soziale Medien dazu ungeeignet wäre, ist jedermann der in Foren schreibt schon klar.

Von persönlichen Treffen unter vier Augen würde ich mir aber Einsichten in andere Ansichten erhoffen. Schade dass ich da wegen Ortsabwesenheit nicht mitmachen kann.

Interessant finde ich die Leser Kommentare zu dieser Aktion. Die sind vorwiegend enttäuschend, aber anderseits auch erhellend. Viele Leser Reaktionen zeigen mir wie die westliche Gesellschaft momentan blind in eine Sackgasse läuft. Grundton: "NEIN - mit solchen Leuten rede ich gar nicht." Man ist auf die eigenen Vorstellungen fixiert. Wie Islamisten oder andere Fanatiker. Jeder hat seinen allein selig machenden Weg gefunden - anders denkende sind Gegner. Gespräche mit Andersdenkenden werden nicht als bereichernd, sondern als lästig und frustrierend empfunden.


Mit freundlichen Grüssen

Thedi
Benutzeravatar

Michaleo
Administrator
Beiträge: 24886
Registriert: Mo 30. Sep 2013, 21:49
Wohnort: Bern und Udon Thani

Re: "Die Schweiz spricht"

#2

Beitrag von Michaleo »

Gespräche mit Andersdenkenden werden nicht als bereichernd, sondern als lästig und frustrierend empfunden.
Das ist natürlich schade, aber andererseits habe ich dafür auch ein gewisses Verständnis.
Was soll ich mit einem völlig überzeugten Rechtsradikalen diskutieren? Seine Ansichten interessieren mich nicht. Oder ein total überzeugter Sektenanhänger? Nein, danke.
Freundliche Grüsse L-)
Benutzeravatar

Bruninho
Beiträge: 4321
Registriert: Mi 3. Jun 2015, 17:17
Wohnort: Winterthur/Schweiz

Re: "Die Schweiz spricht"

#3

Beitrag von Bruninho »

Michaleo hat geschrieben:
Di 21. Aug 2018, 07:37
Gespräche mit Andersdenkenden werden nicht als bereichernd, sondern als lästig und frustrierend empfunden.
Das ist natürlich schade, aber andererseits habe ich dafür auch ein gewisses Verständnis.
Was soll ich mit einem völlig überzeugten Rechtsradikalen diskutieren? Seine Ansichten interessieren mich nicht. Oder ein total überzeugter Sektenanhänger? Nein, danke.
Auch ein überzeugter Rechtsradikaler kann in einem offenen Gespräch gegenteilige Argumente aufnehmen und darüber nachdenken.

Wir haben gar keine Alternative als zusammen einen Konsens zu finden.

Sind wir nicht gesprächsbereit, läuft alles auf eine ungute Radikalisierung hin!

So gesehen ist die Medienaktion sicher eine gute Sache.
Ob sie bei der gegenwärtigen Stimmung auch ankommen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln.

:wai:
Benutzeravatar

Themen Starter
thedi
Beiträge: 4978
Registriert: Do 3. Okt 2013, 09:55
Wohnort: Bankok, Manchakiri bei Khon Kaen

Re: "Die Schweiz spricht"

#4

Beitrag von thedi »

Mich würde auch ein Gespräch mit einem Zeugen Jehowas interessieren, sofern wir uns darauf einigen können, dass wir nicht über die Bibel reden werden. Interessante Themen gäbe es zur Genüge:
  • Sozialstaat vs. Migration: wie viel vom Kuchen wären wir persönlich bereit zu teilen?
  • Ab wann stören uns fremde Sitten und Gebräuche?
  • Pazifismus vs. wehrhafte Schweiz - wie viel Kosten bzw. Risikobereitschaft scheinen uns sinnvoll?
  • Wäre ein Bedingungsloses Grundeinkommen wünschenswert? Nicht ob und wie es finanzierbar wäre, sondern ob die Idee an und für sich wünschenswert ist oder ob die Anstrengungen in eine andere Richtung gehen sollten?
  • Authoritätsgläubigkeit: welchen Authoritäten soll man in wie weit anerkennen? In wie fern ist ein Befehlsempfänger verantwortlich für seine Taten?
  • Dichtestress: wie kann man dem konkret entgehen - oder noch besser: entgegen wirken?
  • Toleranz: wie weit soll Toleranz gehen? Auch gegen Intoleranz?
Es gäbe noch viele Themen, die ich gerne auch mit einem religiösen Fanatiker besprechen würde. Dabei würde ich mir erhoffen „zwischen den Zeilen“ hörend, ihn kennen zu lernen. Es ein Mensch - er mag eine andere Sicht auf die Welt haben als ich und einerseits würde mich das interessieren - anderseits aber auch der Mensch, der offensichtlich anders tickt als ich. Dazu würde ich gerne mit ihm auf Augenhöhe diskutieren, über beliebige Themen.

Unter Umständen könnte es sogar interessant sein, seine Vorstellungen von Gott kennen zu lernen. Es muss nur klar sein, dass er mich nicht bekehren kann - und ich auch nicht versuchen werde ihn von seinem Glauben abzubringen. Wenn er dann nur die Bibel - bzw. ein Parteibuch - zitiert, war es halt ein Flop - aber ein/zwei Stunden würde ich riskieren.


Mit freundlichen Grüssen

Thedi
Benutzeravatar

Michaleo
Administrator
Beiträge: 24886
Registriert: Mo 30. Sep 2013, 21:49
Wohnort: Bern und Udon Thani

Re: "Die Schweiz spricht"

#5

Beitrag von Michaleo »

thedi hat geschrieben:
Di 21. Aug 2018, 11:24
Wenn er dann nur die Bibel - bzw. ein Parteibuch - zitiert, war es halt ein Flop - aber ein/zwei Stunden würde ich riskieren.
Genau da liegt der Haken begraben.

Die Fragen, welche Du aufwirfst, sind alle sehr interessant und ich diskutiere sie - in Mass natürlich - auch gerne: aber mit kreative Köpfe, und nicht mir Gesprächspartner, welche dogmatisch und fremdbestimmt nach Vorgabe antworten.
Freundliche Grüsse L-)
Benutzeravatar

tom
Administrator
Beiträge: 25919
Registriert: Mo 30. Sep 2013, 21:31
Wohnort: Bern

Re: "Die Schweiz spricht"

#6

Beitrag von tom »

Ich sehe es wie Michaleo, es gibt Leute, mit denen will ich mich nicht austauschen. Ein Rechtsextremer zum Beispiel wäre so eine Person, aber auch andere die von einer Ideologie so verblendet sind dass sie ihr blindlings folgen.

Ja, Thedis Themen sind durchaus interessant. Aber eigentlich habe ich ja solche Diskussionen laufend, auch mit Leuten die gerade politisch anders denken als ich. Sehr viele Gespräche erlebe ich im Umkreis von Fussballspielen von YB... Dort spreche ich vor und nach den Spielen bei ein paar Schäumen oft mit SVP- und FDP-Sympathisanten. Und natürlich auch mit Linken, von welchen es nicht wenige gibt innerhalb der YB-Fangruppe. Aber eben nicht nur. Dann habe ich auch 2 schwule Freunde im Fanklub in welchem ich dabei sind, auch hier sind Diskussionen oft ganz anders als normal, weil wir teilweise unterschiedliche Leben führen.

Für mich persönlich hätte ich nun absolut keinen Bedarf nach dieser Medienaktion. Ich vermisse den Austausch mit unterschiedlichen und andersdenkenden Leuten nicht, weil er eben bei mir immer wieder stattfindet.

Bedenklicher finde ich das Auftreten unserer Politiker, welche wirklich kaum mehr fähig sind, irgendeinen Kompromiss zu finden. Und dieses Verhalten geht leider auch immer wie mehr in die Köpfe der Menschen über, welche diese Parteien wählen. Wähler von Parteien kommen mir je länger je öfter wie Zeugen Jehovas vor die bedingungslos irgendwelchen Vorgaben nachzotteln...

Gruss Tom
Benutzeravatar

Themen Starter
thedi
Beiträge: 4978
Registriert: Do 3. Okt 2013, 09:55
Wohnort: Bankok, Manchakiri bei Khon Kaen

Re: "Die Schweiz spricht"

#7

Beitrag von thedi »

Solche Gespräche würden keinen Sinn machen, wenn sie wie bei TV Diskussionen (Arena & Co) ablaufen würden. Dort geht es wie bei einem Fussballmatch darum zu siegen - mindestens ein Unentschieden muss man erreichen, sonst habe ich als Diskussionsteilnehmer versagt und meine Fan (gleichgesinnten Zuhörer) wären mit mir nicht zufrieden. Man ist also als Diskussionsteilnehmer gut vorbereitet, kennt alle Argumente welche die Gegner bringen könnten und hat auf jedes davon eine Antwort parat, das den Gegner in Bedrängnis bringen wird. Solche „Diskussionen“ halte ich für reine Zeitverschwendung.

Bei den hier angestrebten unter-vier-Augen-Gesprächen sollte man den Gesprächspartner nicht als Gegner sehen, sondern als Mitmenschen. Es könnte dann darum gehen heraus zu finden, ob wir nicht doch einige gemeinsame Ziele hätten - nur verschiedene Wege gehen wollen um dort hin zu gelangen.

Oder einfach nur darum zu verstehen, wieso jemand einen ganz anderen Standpunkt einnimmt als ich. Ohne zu werten. Weder mich über ihn noch ihn über mich zu stellen, sondern einfach mit einem Menschen auf Augenhöhe zu reden, um ihn kennen zu lernen.

Bei solchen Gesprächen darf man nicht versuchen zu siegen - sondern zuhören, versuchen zu verstehen. Nicht mich überzeugen lassen, sondern versuchen einen Menschen mit anderen Genen und einer anderen Geschichte zu verstehen. Damit wäre für mich schon viel erreicht. Ob er mich auch verstehen würde, wäre mir dann nicht mehr so wichtig. Aber wenn doch, dann könnte sich auch ein zweites Treffen daraus ergeben. Why not? Er hat nur andere Ansichten, ist sonst aber ganz OK.

Ich habe den Verdacht, dass sich die Menschen in der Schweiz immer mehr voneinander entfremden. Gruppenbildung, man bewegt sich nur noch unter Gleichgesinnten - mitten unter Andersgesinnten zwar, aber die nimmt man gar nicht mehr wahr.

In einem kleinen Dorf wie hier im Isaan, ist man in einer Gesellschaft, in der man sich nicht ausweichen kann. In unserer Sippe hat es auch ein paar schwierigere Fälle - aber die gehören dazu. Da gibt es ganz verschiedene Typen, verschiedene Ansichten, verschiedene Lebens-Philosophien und -Ziele. Man liebt sie nicht alle gleich, aber man kommt mit allen aus. Weil man muss. Weil man nicht ausweichen kann. Ich finde das im Moment zwar oft mühsam aber schlussendlich mein Leben bereichernd.

In der Schweiz hat man es leicht nur unter Gleichgesinnten oder doch nur wenig Andersgesinnten zu bleiben. Das ist eine Verarmung und führt schlussendlich zu einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Solidarität schon - aber doch nicht mit DENEN.

In dieser Richtung sehe ich die Gefahr für die westliche Kultur. Mit den Gesprächen, könnte man vielleicht ein ganz kleines Schrittchen in die andere Richtung machen. Das wäre mir auf jeden Fall 2 Stunden meiner Zeit Wert.


Mit freundlichen Grüssen

Thedi
Benutzeravatar

tom
Administrator
Beiträge: 25919
Registriert: Mo 30. Sep 2013, 21:31
Wohnort: Bern

Re: "Die Schweiz spricht"

#8

Beitrag von tom »

Thedi hat geschrieben:Das wäre mir auf jeden Fall 2 Stunden meiner Zeit Wert.
Ich denke dass dies nichts bringen würde, ausser vielleicht kurzzeitig ein gutes Gefühl. Damit solche Gespräche etwas auslösen können, braucht es wiederkehrende Treffen. Mein Beispiel mit den Fussballspielen ist eigentlich etwas wie ein Musterbeispiel. Nehmen wir das Beispiel mit dem SVP-Mensch welches ich erwähnt habe... Den sehe ich nun sicher schon seit 4-5 Jahren fast vor jedem Heimspiel im Stadionrestaurant, 2 Stunden vor Spielbeginn. Und dann sprechen wir über x-verschiedene Dinge, sind uns oft nicht einig, im Gespräch finden wir aber erstaunlich oft einen gemeinsamen Nenner, einen Kompromiss.... wenn wir uns nur einmal für 2 Stunden getroffen hätten, wären Gespräche und Diskussionen wie jetzt nicht möglich. Egal wie verschieden man ist, man muss sich dennoch langsam besser kennenlernen, damit man sich auch über heikle Themen in positiver Art und Weise austauschen kann.

Weil man sich besser kennt, funktioniert es auch wie von Dir beschrieben im Dorf im Isaan. Deine Bedenken über die Entwicklung in der Schweiz teile ich nur am Rande. Es gibt in der Tat auch nach meinem Empfinden immer mehr Leute für die es nur schwarz oder weiss gibt. Aber im grossen und ganzen haben wir in der Schweiz nach meiner Meinung immer noch eine hochstehende Diskussionskultur und ein hohes Mass an Toleranz gegenüber Andersdenkende. Leute die gegen alles sind oder wegen einer Kleinigkeit eine Riesensache machen gab es schon früher. Wie es früher auch schon Politiker gab welche nicht kompromissbereit waren. Ich hoffe darauf dass es weiterhin Gruppen wie z.B. Operation Libero gibt, welche parteiübergreifend agieren und Menschen auf der linken und rechten Seite der Mitte ansprechen können. Mal schauen wie sich dies in den nächsten Jahren entwickelt.

Gruss Tom
Benutzeravatar

phimax
Beiträge: 4324
Registriert: Mo 11. Jun 2018, 22:46

Re: "Die Schweiz spricht"

#9

Beitrag von phimax »

thedi hat geschrieben:
Di 21. Aug 2018, 14:24
Bei solchen Gesprächen darf man nicht versuchen zu siegen - sondern zuhören, versuchen zu verstehen.
Das Zitat und generell deinen Beitrag finde ich gut.

Leider können imho die meisten Menschen wohl nicht mehr ohne "siegen zu wollen" miteinander interagieren.
Selten kommen Gespräche ohne "Meins ist neuer, schöner, größer, besser schneller etcpp. als deins" aus.
Auch wird viel zu viel an einem (vermeindlichen) "Status" festgemacht.

Und nicht der "Dumme" muß sich anstrengen um den "Intelligen" zu verstehen,
sondern Letzterer (weil er können muß) muß sich so ausdrücken, das ihn auch ein "Dummer" verstehen kann.
Alles andere wäre unfair und würde auch keinen Austausch auf Augenhöhe zulassen.

Leute, verlasst einfach mal eure "Filter-Blasen und Echo-Kammern", es lohnt sich - für alle.
Orwell war ein Optimist :-s
Benutzeravatar

tom
Administrator
Beiträge: 25919
Registriert: Mo 30. Sep 2013, 21:31
Wohnort: Bern

Re: "Die Schweiz spricht"

#10

Beitrag von tom »

phimax hat geschrieben:Und nicht der "Dumme" muß sich anstrengen um den "Intelligen" zu verstehen,
sondern Letzterer muß sich so ausdrücken, das ihn auch ein "Dummer" versteht.
Aber auch hier gibt es leider die politische Instrumentalisierung immer wie mehr... Ich denke viele Politiker spielen genau diese Karten... nämlich die dass man bewusst so politisiert damit "Dumme" (ich weiss, eine sehr unschöne Bezeichnung...) die eine Seite weniger verstehen als die eigene. Deshalb, und da gebe ich Thedi zu 100% recht, wäre es wirklich gut wenn man wieder mehr miteinander spricht und diskutiert und zu verstehen versucht, was der andere denkt. Für mich ist die ganze Politik aktuell ein Trauerspiel, ein dreckiges Geschäft um Wählerstimmen. Und ich frage mich immer wie mehr, ob diesen Politikern wirklich so viel an einer positiven Entwicklung des Landes liegt oder ob es nur um sie selber geht, um ihre Pfründe, ihre Macht.

Eigentlich sollte man mal sämtliche politischen Parteien und deren Politiker von Wahlen aussperren und nur noch Unabhängige wählen dürfen... :ironie:

Gruss Tom
Antworten

Zurück zu „DACH & die Welt“ | Ungelesene Beiträge