Im vergangenen Februar erfuhr ich, wie schlecht es gesundheitlich um unseren ehemaligen Stadtpräsidenten steht. Wie stark seine Krebserkrankung wirklich ist und dass er dieses Jahr 2018 nicht mehr überleben werde... Sein allergrösster und letzter Wunsch war es, noch einen Titel der Berner Young Boys miterleben zu dürfen. Dieser letzte Wunsch wurde im wenigstens vor einer Woche noch erfüllt.
Gruss Tom
Alexander Tschäppät ist gestorben
Der ehemalige Berner Stadtpräsident und Nationalrat Alexander Tschäppät ist tot. Der 66-jährige Sozialdemokrat erlag am Freitag einem Krebsleiden. Mit ihm verliert die Bundesstadt einen volksnahen, charismatischen Politiker.
Man liebte ihn oder man regte sich masslos über ihn auf, kalt liess Tschäppät auf jeden Fall niemanden. Seine Gegner schimpften den geselligen Stadtvater schon mal «Jovialdemokrat». Seine Fans hingegen liebten ihn für seine Schlagfertigkeit, seinen Humor, aber auch für sein politisches Gespür.
Für Tschäppät war Bern stets «die schönste Stadt der Welt», wie der selbst deklarierte «Bern Fan» bei seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten nicht müde wurde zu betonen. Und das wirkte nicht einmal aufgesetzt – war er doch seit frühster Jugend in der Bundesstadt verwurzelt.
Bis zuletzt Verpflichtungen wahrgenommen
Nach fast 20 Jahren als Gerichtspräsident in Bern wurde er 2001 in den Gemeinderat gewählt. Dort übernahm er zunächst die Direktion für Planung, Verkehr und Tiefbau. 2005 folgte die Wahl zum Stadtpräsidenten. Tschäppät trat damit in die Fussstapfen seines Vaters Reynold, Berns Stadtpräsident 1966 bis 1979.
Tschäppät war zudem von 1991 bis 2003 ein erstes Mal Mitglied des Nationalrats. 2011 verpasste er die Wiederwahl und konnte erst nachrutschen als sein Bieler Parteikollege Hans Stöckli in den Ständerat wechselte. Bis zu seinem Tod war Tschäppät Mitglied der Grossen Kammer.
Plätze, Feste und Lebensqualität
Als Berner Stadtpräsident heimste Tschäppät etwa Lorbeeren ein für die Umgestaltung des Bundesplatzes, für die Fussball-Europameisterschaft 2008 in Bern, für den Baldachin über dem Bahnhofplatz oder für das Zentrum Paul Klee.
Bern konnte mit Lebensqualität punkten und die Einwohnerzahlen wuchsen. Aus hochroten Budgets wurden mit der Zeit auch schwarze Zahlen.
Doch Tschäppät sah sich auch mit Niederlagen und Kritik konfrontiert. Im bürgerlichen Lager galt er als «Laisser-faire-Politiker». Die Steuern in Bern sind nach wie vor hoch, Bern ist eine Beamtenstadt geblieben und andernorts entsteht mehr neuer Wohnraum. Kaum Bewegung brachte Tschäppät in die Debatten rund um das autonome Berner Kulturzentrum Reitschule, ein ewiges «Aufregerthema» in der Bundesstadt.
Und dennoch: Mit ihm gehe einer der letzten charismatischen Stadtväter der Schweiz, schrieb die Zeitung «Der Bund» Ende 2016 mit leisem Bedauern. Mit der neuen Generation kämen Technokraten ans Ruder.
Echt, direkt und den Menschen nah
Tschäppät war stets einer, der seine Stadt und die Menschen darin liebte und deren Nähe suchte. Man sah ihn beim Einkaufen, mit dem Velo oder an einem der vielen Apéros, zu denen der launige Redner eingeladen wurde. Nie war er um einen träfen Spruch verlegen und fand den Zugang zu allen Bevölkerungsschichten.
Doch Tschäppäts Hang zur Selbstdarstellung liess die Bernerinnen und Berner mitunter auch die Augen verdrehen. Unvergessen bleibt eine Episode, wo Tschäppät nach einem Fussballspiel mit einer Punkband Liedzeilen mit «Christoph Blocher Motherfucker» grölte. Auch Italienerwitze in einer Comedy-Sendung hätte er wohl besser bleiben lassen.
Und auch das Verhältnis zu seiner Partei war nicht immer entspannt. Gerade die Genossinnen störten sich an seinen bisweilen machohaften Sprüchen.
Doch die Bernerinnen und Berner verziehen ihrem «Stadtvater» die Ausrutscher. Vielleicht waren es gerade auch seine Fehler, die Tschäppät für die Bevölkerung nahbar machten. Und keiner vermittelte bernisches Lebensgefühl besser und mit mehr Witz und Schalk als er. «Tschäppu» war eben nicht nur Berner, für viele war er Bern. (oli/sda)
Quelle: https://www.bernerzeitung.ch/bern/alexa ... y/17620714