Kohls Vermächtnis

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Michaleo
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Kohls Vermächtnis

#1

Beitrag von Michaleo »

Es geht mich ja nichts an.
Aber zu Kohls Tod hätte ich schon einige Fragen an unsere Deutschen Member.

Spiegel:
Als Redner war Kohl eine Katastrophe. Er hatte wenig Inspirierendes, das ständige Augenblinzeln und leichte Nuscheln machten seine Auftritte für mich als Zuhörer oftmals zu einer Qual. Vor allem dann, wenn er vom Blatt ablas. Oft war da kaum noch Inhalt, nur noch schwülstiger Pathos.
16 Jahre lang hat Kohl das Land regiert, im Rückblick muss man sagen: Es waren 16 gute Jahre, zumindest für die meisten Deutschen. Es waren aber auch 16 teure Jahre, zumindest für die nachfolgenden Generationen. Denn wichtige Reformen etwa des Rentensystems oder des Arbeitsmarkts ließ Kohl liegen. Er wusste schon: Zu viel Veränderung gibt nur Ärger mit den Wählern. Löcher in den Kassen wurden mit neuen Schulden gestopft.
Im System Kohl gab es verborgene Konten, anonyme Spender - und wenn irgendwo ein wichtiger CDU-Verband oder Funktionär knapp bei Kasse war, gab es unter der Hand ein bisschen Geld vom Chef. Auch so erkaufte sich Kohl Loyalität.
Sorry, liebe Kollegen, aber von einer Lichtgestalt spricht man posthum anders.

Was gab es denn damals für Alternativen? Sagt bitte nicht: keine.
Was wäre, wenn keine Vereinigung, sondern eine andere Form zwischen der DDR und der BRD die Lösung gworden wäre, z.B. einen loseren Staatenbund, oder einfach zwei gut kooperierende, freundschaftliche Staaten, wie z.B. Oesterreich und die Schweiz?
Freundliche Grüsse L-)

Werner
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Re: Kohls Vermächtnis

#2

Beitrag von Werner »

Kohl, ich erinnere mich an den Anfang. Der große mächtige etwas tollpatschige Junge wurde plötzlich Kanzler. Es gab sogar Leute die ihn bedauerten, dass der arme Kerl nun dieses Amt nun übernehmen müsse. Damals hatte er sich so verkauft. Alles war natürlich nur Manipulation und Meinungsmache.

Kohl hat den Wohlfahrtsstaat Bundesrepublik mit sicherer Arbeit und Ruhe und einzig der Sorge vor dem Feind im Osten in eine üble Neidgesellschaft gewandelt, in der die Gier regierte. Immer neue Probleme für Arbeitnehmer wie z. B. Leiharbeit wurden eingeführt. Eine schwierige Zeit. Immer wieder wurden uns von der Presse neue Bevölkerungsgruppen zum Fraß vorgeworfen. Mein Vater meinte irgendwann dass die Sozialhilfeempfänger das Land aussaugen mit ihren Bezügen von ein paar hundert Mark, irgendwie absurd.

Kohl hat bei der Wiedervereinigung wirtschaftlich fundamentale Fehler gemacht, die die FNL über Jahre lähmte, Beispiel: Rückgabe vor Entschädigung der Liegenschaften. Anerkannt, nein, ich denke nicht dass er von seiner Persönlichkeitsstruktur jemals die Verantwortlichen der DDR als Partner betrachtete.

Irgendwie hatte ich immer den Eindruck dass die CDU so lange regiert hatte bis sie genügend Probleme geschaffen hatte um die Lösungen dann der SPD zu überlassen und dann wieder zu übernehmen, wenn die SPD einiges gerichtet hatte.

Nun gut. Schröder war nicht besser. Er und die SPD führten als Neuerung ein, dass Unternehmen mit einem Firmensitz im Ausland ihre Gewinne da versteuern können wo sie wollen und nicht mehr dort wo sie anfallen. Das war mehr als übel.

Kohls Vermächtnis ist für mich verbunden mit den Worten "Neid" und "Gier" in der Gesellschaft.

W.
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thaithom
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Re: Kohls Vermächtnis

#3

Beitrag von thaithom »

1982 - 1998
Werner hat geschrieben:Kohl hat bei der Wiedervereinigung wirtschaftlich fundamentale Fehler gemacht
1998 - 2005
Werner hat geschrieben:Schröder war nicht besser
.....und seit 2005 regiert Merkel, die ja dem Hörensagen nach auch nichts recht macht...

Seit 35 Jahren also das reine Desaster.

Ich frage mich schon, wie um alles in der Welt es Deutschland geschafft hat, zur grössten Wirtschaftsmacht in Europa zu werden.
;)
Gruss Thomas
"Kun Chang"

chili
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Re: Kohls Vermächtnis

#4

Beitrag von chili »

thaithom hat geschrieben:1982 - 1998
Ich frage mich schon, wie um alles in der Welt es Deutschland geschafft hat, zur grössten Wirtschaftsmacht in Europa zu werden.
;)
Das haben die alles der Mama zu verdanken. :)) :))
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Marburger
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Re: Kohls Vermächtnis

#5

Beitrag von Marburger »

thaithom hat geschrieben:1982 - 1998
Werner hat geschrieben:Kohl hat bei der Wiedervereinigung wirtschaftlich fundamentale Fehler gemacht
1998 - 2005
Werner hat geschrieben:Schröder war nicht besser
.....und seit 2005 regiert Merkel, die ja dem Hörensagen nach auch nichts recht macht...

Seit 35 Jahren also das reine Desaster.
Wo gehobelt wird fallen auch Späne ! Das nicht jeder von der dominanten Führungsform Kohls provitieren konnte, steht
außer Frage. Die Mehrheit hatte jedenfalls in Kohls Jahren ((trotz Spitzensteuersatz), goldene Zeiten. Selbst den meisten Arbeitnehmern war es vergönnt Investitionen zu tätigen, Häuser zu bauen, Autos (auch für Frau), anzuschaffen und Kinder
auf höhere Schulen zu schicken. Die DDR war natürlich finanziell ein harte Broken, aber wie man 23 Jahre später sieht, die
richtige Entscheidung.
1998 mit Beginn der "Basta-Schröder" Aerea...konnten die Arbeitnehmer nur noch singen: ..."von nun an gehts bergab"...!
Was leider der traurigen Wahrheit entsprach... :((

Gruß Marburger
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Westfale
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Re: Kohls Vermächtnis

#6

Beitrag von Westfale »

Zweifellos war Helmut Kohl ein großer Staatsmann.
Zumindest in der Stunde des Todes sollte das auch mal anerkannt werden. Als Kanzler der Einigung hat er sich in den Geschichtsbüchern einen größeren Platz geschaffen als es Schröder oder Brand taten.
Nicht ohne Grund wurde der Mann viermal gewählt.

Aber in der Tat überschatten viele Dinge sein Politikerleben, die am Ende eher dunkle Schatten auf sein Lebenswerk werfen. Inzwischen überschatten die auch die positiven Dinge, die er geleistet hat.
Anders als bei Helmut Schmidt, wo Freund und Feind ehrenvoll Beileid bezeugt haben, wird ad Kohl wohl die nächste Zeit eher Kritik zu hören sein.

Seine Laufbahn ist zu lang um auf die Schnelle alle Details zu analysieren. Halten wir fest, zerstört hat am Ende die Spendenaffaire sein Image. Zuletzt, ich kann mich gut an das Wahljahr 1998 erinnern, herrschte das Motto: 16 Jahre (Kohl) sind genug. – Übrigens war das durchgängig durch die Bevölkerung, nicht so wie heute bei Merkel, wo das nur wenige, die allerdings richtig laut rufen, bzw. gerufen haben, da Pegida im Moment ja wieder am verklingen ist.

Wollen wir aber auch positives erwähnen. Die Sicht von Werner teile ich so nicht. Die CDU-Ära wurde durchaus als Garant für wirtschaftliches Wachstum und Stabilität angesehen. Den Leuten ging es gut. Im Westen auf jedem Fall, und im Osten (ich wage das zu schreiben) auch. Das Problem war, die Erwartungen der Einheit waren unrealistisch, ein angleichen des Osten an den Westen in wenigen Jahren war eine Illusion. Vielleicht ging es den Leuten insgesamt sogar zu gut, dass die Schröder-Regierung im Anschluss meinte, mit Harz IV alles besser machen zu können.

Möge auch Helmut Kohl in Frieden Ruhen.
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CHRIS
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Re: Kohls Vermächtnis

#7

Beitrag von CHRIS »

Michaleo hat geschrieben: Was gab es denn damals für Alternativen? Sagt bitte nicht: keine.
Was wäre, wenn keine Vereinigung, sondern eine andere Form zwischen der DDR und der BRD die Lösung gworden wäre, z.B. einen loseren Staatenbund, oder einfach zwei gut kooperierende, freundschaftliche Staaten, wie z.B. Oesterreich und die Schweiz?
Darueber zu spekulieren, wie es mit Alternativen anders gegangen waere ist sehr schwierig, letztlich isses so wie es is.
Man kann aber behaupten, dass die "Mauer" zu einer Zeit viel, wo Kohl eben Kanzler war. Auch ein bischen Gluecksache, mit der Wiederverinigung im Ruecken lies sich die folgende Wahl leichter gewinnen ;)
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Michaleo
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Re: Kohls Vermächtnis

#8

Beitrag von Michaleo »

CHRIS hat geschrieben:Man kann aber behaupten, dass die "Mauer" zu einer Zeit viel, wo Kohl eben Kanzler war. Auch ein bischen Gluecksache
Ja, das stimmt.
Das Glück des Tüchtigen, sagen dann die Erfolgreichen, und die Erfolgloseren machen ein langes Gesicht.

Aber wäre eine Zweistaatenlösung auch mal eine Option gewesen?
Gab es da nie Ostdeutsche, die das mit einem gewissen Selbstbewusstsein forderten?
Freundliche Grüsse L-)
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ZH-thai-fun
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Re: Kohls Vermächtnis

#9

Beitrag von ZH-thai-fun »

Mein Bauchgefühl mochte Kohl nie, sowieso nach Schmidt. Mein Kopfgefühl sagt ein Beileid an alle Angehörigen!
Nur wer Negatives wahr'nimmt, kann auch Positive genießen.
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Westfale
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Re: Kohls Vermächtnis

#10

Beitrag von Westfale »

Michaleo hat geschrieben: Aber wäre eine Zweistaatenlösung auch mal eine Option gewesen?
Gab es da nie Ostdeutsche, die das mit einem gewissen Selbstbewusstsein forderten?
Eine Zweistaatenlösung stand nicht ernsthaft zur Debatte.
Das Widersprach auch der Stimmung im Volk, man wollte die Einheit. Sehr viele Leute hatten noch Großeltern und damit verbunden Onkel oder Tante mit weiterer Verwandtschaft auf der jeweils anderen Seiten.
Wirtschaftlich ging man zu optimistisch von positiven Impulsen auf beiden Seiten aus. Die Realität zeigte dann erst, dass Theorie und Praxis oft sehr unterschiedlich sind.
Es wäre bei zwei Staaten ja nicht mit Österreich und Schweiz vergleichbar gewesen, sondern wie Deutschland und Rumänien heute.

Ohne jetzt zu recherchieren, wenn ich mich recht erinnere standen durchaus unterschiedliche Anpassungsmodelle zur Diskussion. Speziell beim Angleichen der Währungen. Hier gab es in der Tat Vorschläge zunächst zwei Währungen zu behalten.

Entschieden hat man sich für die Hauruck-Lösung. Da war in der Tat Helmut Kohl maßgeblich dran beteiligt.
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